Mittwoch, 3. Februar 2021

Mittwochsgedanken: Eine echte Lavendelgeschichte

Heute habe ich eine echte Lavendelgeschichte für euch. Ich habe sie in Erinnerung an einen guten alten Markthändler geschrieben, bei dem ich mich lange Zeit mit dem besten ätherischen Öl eingedeckt habe, an dem ich je geschnuppert habe. Ein Besuch an seinem Stand war immer etwas Besonderes für mich. 





Eine Handvoll Lavendel

Ella stöhnte genervt. Die Frau hinter hier, die mit dem eleganten Filzhut, hatte ihr auf den Fuß getreten. Erst bei den Marmeladen, dann bei den Teelichtern. Jetzt schon wieder.

Gemütlicher Weihnachtsmarkt, einzigartiges Ambiente – von wegen! Das hier war von allem zu viel. Zu viel Schnickschnack, zu viel Essen, zu viel Glühwein. Und vor allem: zu viele Menschen. Sie musste hier raus!

Ella presste ihre Handtasche ganz eng an ihren Bauch und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Das war nicht einfach und brachte ihr einige verständnislose Blicke ein.

Sie hatte schon die rettende Ausgangstür im Visier, da hielt sie plötzlich inne. Etwas zog sie in ihren Bann. Ein Gefühl. Ein Geruch! Einer, der hier so gar nicht hinpasste.

Lavendel!

Sofort schaltete Ella alles andere aus, folgte ihrem Geruchssinn, bog nach rechts ab und stand plötzlich in einem kleinen Nebenraum. Sie musste sich ducken, weil die Decke hier so niedrig war. Doch gleichzeitig war sie in den weiten lilafarbenen Feldern der Provence angekommen und verspürte nur noch eines: Glück!

Das alte Mütterchen, das stickend an einem kleinen Holztisch kauerte, lächelte wissend und nickte ihr zu.

„Bonjour, Madame.“

Ella nickte zurück und steuerte eine Kiste an, die bis obenhin mit Lavendelblüten gefüllt war. Ein einziges Lavendelblütenmeer.

„Nun fassen Sie schon hinein!“

Neben Ella stand plötzlich ein weißhaariger Mann mit Strohhut, Leinenhemd und unwiderstehlichem Lächeln bis hinauf zu den wasserblauen Augen. Ella vergrub ihre Hände in den Blüten und schloss die Augen.

Der Lavendelverkäufer lachte leise und erzählte ihr von den Feldern in Südfrankreich und von den Lavendelbauern, bei denen er Jahr für Jahr im Spätsommer den Lavendel kaufte.

„So wie Ihnen ging es mir auch, als ich das erste Mal dort war. Und als ich meine Marie …“, er lächelte liebevoll hinüber zu seiner Frau, „kennenlernte, wusste ich endlich, was ich mit meinem Ruhestand anfangen sollte. Lavendel ist Glück. Und Marie ist mein Lavendelmädchen.“

Ella war gerührt. Der kleine Raum unterm Dach war erfüllt von tiefem Frieden. Hier gab es keine Sorgen, nur den Lavendelduft und die alte Liebe. 

Der alte Mann wechselte ein paar Worte auf Französisch mit seiner Frau. Dann drehte er sich wieder zu Ella um und überreichte ihr ein Stück naturfarbenes Leinen, mit zarten Lavendelblüten bestickt.

„Aber das kann ich nicht annehmen!“, flüsterte Ella. Eine Träne rollte plötzlich über ihre Wange.

Marie war aufgestanden und legte ihre Hand weich auf Ellas.

„Tout ira bien.“ Alles wird gut.

Ella erwiderte ihren Blick und erschrak für einen Moment, denn sie hatte sich selbst gesehen. Mit all ihrem Kummer.



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