Er schaut kurz hoch, seine blauen Augen wirken abwesend. Eigentlich wie immer, und doch ist heute irgendwas anders. Er ist gar nicht richtig da, sein Nicken nur angedeutet. Er weiß nicht, dass ich gestern auch schon hier war. Und vorgestern.
Wie sich die Haut im Alter doch verändert, denke ich, während ich ihn betrachte. Hier begegnen mir häufig alte Menschen, und sie alle haben die gleiche wächserne Haut. Die Runzeln, die noch wenige Jahre zuvor von einem bewegten Leben zeugten, werden konturlos und verlieren an Spannung. Wie ein Filter, eine Art Weichzeichner, der das Leben langsam ausradiert.
Wenn das hektische Geklapper der Geschirrwagen nach dem Mittagessen wieder verstummt, aber noch keine Besucher auf der Station sind, komme ich hierher. Vom Fenster am Ende des Flures kann ich auf den hellgrünen Gebäudekomplex gegenüber schauen, in dem mein Büro ist. Ihm ist es wahrscheinlich egal, ob ich hier bin oder nicht. Er nimmt kaum Notiz von mir, wartet auf seine Frau. Jeden Tag um die gleiche Zeit.
Er versucht, in seinem Rollstuhl Haltung anzunehmen, wenn sie kommt. Doch sein Körper erinnert sich nicht mehr, bleibt schlaff und krumm.
»Wie alt sind Sie eigentlich?«, frage ich neugierig. Ich sieze ihn, er kennt mich ja nicht.
Sein Blick wandert von der Stationstür zu mir. »Dreiundzwanzig.« Er schaut mich ernst an.
»Dann bin ich ja ein ganzes Jahr älter als Sie«, gebe ich erstaunt zurück.
»Dafür haben Sie sich aber gut gehalten«, meint er trocken und nickt anerkennend. Tausend kleine Fältchen umrahmen plötzlich seine Augen wie Sonnenstrahlen und er prustet los.
Ich stimme mit ein. Eine Träne, die aus dem Augenwinkel über seine gerötete Wange kriecht, wischt er unbeholfen weg. In diesem Moment leuchten seine Augen wie schon lange nicht mehr.
Sein Blick wandert wieder zur Tür.
»Ihre Frau kommt sicher gleich«, sage ich, um das Gespräch aufrecht zu erhalten.
»Meine Frau? Nein, nein, ich warte auf den Zug. Meine Frau ist schon vorgefahren.«
Er macht schon wieder Witze, denke ich und schaue ihn an. Aber nein, diesmal meint er es ernst. Er blickt auf den weißen Streifen an seinem Handgelenk, wo früher die Uhr war.
»Wo wollen Sie denn hinfahren?«, frage ich ihn.
»Nach Kassel. Und dann weiter nach Hamburg. Meine Frau wartet in Kassel auf mich. Wir haben gestern geheiratet«, erzählt er glücklich.
»Das ist ja toll, herzlichen Glückwunsch!« Seltsam, so mit ihm zu plaudern. Aber er freut sich und lächelt mich an. »Danke. Sie ist die schönste Braut in ganz Hessen.«
»Das glaube ich«, erwidere ich. Ich freue mich, dass er heute so viel mit mir redet. Das macht er selten.
»Möchten Sie auch einen Kaffe?« Ich deute auf den Automaten an der Wand.
»Das heißt Kaffee. Meine Frau vergisst das auch immer.«
»Okay.« Ich muss grinsen. »Und? Möchten Sie?«
»Was?« Jetzt ist sein Blick plötzlich wieder leer, das Funkeln verschwunden.
»Einen Kaffee?«, wiederhole ich.
»Nein, mein Zug kommt gleich«, murmelt er gedankenverloren.
Die Tür schwingt auf und eine Frau kommt lächelnd auf uns zu.
»Hallo Oma«, sage ich, drücke meine Großmutter kurz und lege meinem Großvater zum Abschied die Hand auf die Schulter. »Ich muss wieder rüber.«
»Mach´s gut, Junge.« Erstaunt blicke ich ihn an. Mein Großvater zwinkert mir zu und hebt die Hand zum Gruß.
Ein letztes Mal.
Sein Blick wandert wieder zur Tür.
»Ihre Frau kommt sicher gleich«, sage ich, um das Gespräch aufrecht zu erhalten.
»Meine Frau? Nein, nein, ich warte auf den Zug. Meine Frau ist schon vorgefahren.«
Er macht schon wieder Witze, denke ich und schaue ihn an. Aber nein, diesmal meint er es ernst. Er blickt auf den weißen Streifen an seinem Handgelenk, wo früher die Uhr war.
»Wo wollen Sie denn hinfahren?«, frage ich ihn.
»Nach Kassel. Und dann weiter nach Hamburg. Meine Frau wartet in Kassel auf mich. Wir haben gestern geheiratet«, erzählt er glücklich.
»Das ist ja toll, herzlichen Glückwunsch!« Seltsam, so mit ihm zu plaudern. Aber er freut sich und lächelt mich an. »Danke. Sie ist die schönste Braut in ganz Hessen.«
»Das glaube ich«, erwidere ich. Ich freue mich, dass er heute so viel mit mir redet. Das macht er selten.
»Möchten Sie auch einen Kaffe?« Ich deute auf den Automaten an der Wand.
»Das heißt Kaffee. Meine Frau vergisst das auch immer.«
»Okay.« Ich muss grinsen. »Und? Möchten Sie?«
»Was?« Jetzt ist sein Blick plötzlich wieder leer, das Funkeln verschwunden.
»Einen Kaffee?«, wiederhole ich.
»Nein, mein Zug kommt gleich«, murmelt er gedankenverloren.
Die Tür schwingt auf und eine Frau kommt lächelnd auf uns zu.
»Hallo Oma«, sage ich, drücke meine Großmutter kurz und lege meinem Großvater zum Abschied die Hand auf die Schulter. »Ich muss wieder rüber.«
»Mach´s gut, Junge.« Erstaunt blicke ich ihn an. Mein Großvater zwinkert mir zu und hebt die Hand zum Gruß.
Ein letztes Mal.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für deinen Kommentar!