Donnerstag, 1. April 2021

Ode an die Hefe - eine Erinnerung

Wisst ihr noch? Corona? Plötzlich standen wir zum ersten Mal vor leeren Regalen im Supermarkt, auf der Suche nach Klopapier, Nudeln, Mehl und - genau: Hefe! 

2021: Die Supermarktlage hat sich zum Glück wieder normalisiert. In diesem Jahr habe ich aus Hefeteig kleine Osterkränze und -hasen für unsere Mitarbeiter gebacken. Aber dabei fiel mir meine kleine "Ode an die Hefe" vom letzten Jahr wieder ein. Und weil Ostern ist, schenke ich sie euch heute ein zweites Mal.

Ich wünsche euch allen ein fröhliches, buntes, leckeres und sonniges Osterfest! 


Ode an die Hefe

So viele Jahre hast du unbeachtet und ungeliebt im Backregal gestanden. In hässlichen Tütchen, eingekeilt zwischen Backpulver und Vanillezucker.

Überhaupt, dieses Backpulver. Hat es dich nicht immer hämisch angegrinst und sich schon in der Tüte aufgebläht? „Guck mal, wie locker ich bin! Und wie schnell ich den Teig fluffig mache. Nicht so anspruchsvoll wie du: Brauchst Wärme, aber nicht zu viel. Brauchst Zeit, und davon nicht zu wenig. Willst geknetet werden, bis du schön blasig wirst. Bis DU endlich in den Backofen darfst, bin ich schon lange fertig. Wer will dich schon, du olle, miefige Hefe?“

Links von dir das Puddingpulver kichert fett und hinterlässt eine Staubwolke. „Ich bin noch schneller fertig als ihr und alle lieben mich!“ Der Vanillezucker nickt dümmlich, wie immer.

Wie oft hast du vor deinem Regal schon den Satz gehört: „Hefe? Nee, damit kann ich nicht backen. Hefeteig gelingt mir NIE!“ Und das Backpulver streckte dir die Zunge heraus, als es in den Einkaufskorb wanderte.

Aber heute? Backpulver und Vanillezucker schielen ganz verstohlen auf den leeren Platz im Regal, wo du immer treu gestanden und ausgeharrt hast. Schon seit Tagen bist du ausverkauft und fristest nun dein Dasein in riesigen Vorratskammern, wo du vermutlich einfach vergessen wirst und in ein paar Jahren in die Mülltonne wanderst. Vorher kannst du aber noch zuschauen, wie sich Ungeziefer in den hundert Tüten Mehl breitmacht, die um dich herum gestapelt wurden. Vorausgesetzt natürlich, dass nicht das ganze Klopapier deine Sicht versperrt. Schau mal nach unten: Hast du gesehen, dass die Kartoffeln schon anfangen zu keimen? Die wandern noch vor dir in die Tonne, falls dich das tröstet.

Deiner Schwester, der molligen Frischhefe, geht es übrigens auch nicht besser. Sie hatte früher den besten Platz im Kühlregal, konnte alles überschauen und hat sich köstlich amüsiert, weil die Leute sie nie, wirklich niemals, auf den ersten Blick gefunden haben. Sie wurde dir immer vorgezogen, was dich manchmal geärgert hat. Aber du konntest ihr nie lange böse sein.

Jetzt rächt sich, dass sie nicht so lange haltbar ist wie du, denn sie wird eingefroren. Liegt zitternd in vollgestopften Eisfächern, zwischen Erbsen, Eis und Petersilie, ganz hinten an der eisverkrusteten Wand. Oder sie hängt in übergroßen Kühltruhen in einem Korb und schaut bibbernd den ganzen Tag auf dutzende Brotlaibe, die eingefroren wurden, da die Menschen ja doch lieber fertige Sachen auftauen, statt selbst zu backen. Deine Schwester ahnt schon, genau wie du in deiner Vorratskammer, dass sie vergessen werden wird.

Ach, Hefe, wärst du doch nur mit mir mitgekommen. Ich hätte dich wie immer liebevoll zu Teig verarbeitet, massiert, geknetet und auch geschlagen (ja, ich weiß, du stehst da drauf), dich ganz gemütlich gehen lassen und zu Zwetschgenkuchen, Brot, Pizza oder Hefeklößen verarbeitet. Ich vermisse dich, aber irgendwann liegst du sicher wieder im Supermarktregal und grinst frech hinüber zum Backpulver. Und auch deine Schwester beobachtet mich bestimmt bald wieder freudig, wenn ich ihr neues Versteck suche.

Bis dahin hoffe ich, dass ihr beiden doch noch eure Bestimmung findet und mit all dem eingelagerten Mehl, dem Zucker und der H-Milch wunderbare Verbindungen eingehen werdet.


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